
„Jede Person ist Publizistin.“
Kennen Sie Beuys? Ja, den Joseph Beuys aus Düsseldorf, der als offiziell anerkannter Künstler in sozialphilosophischer Manier den Begriff der Kunst erweiterte mit seiner Aussage: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Gemeint ist, dass jede menschliche Tätigkeit den Anspruch des künstlerischen Schaffens, also der Kunst haben kann.
Gut, Anspruch ist ja erstmal nichts Verwerfliches. Aber es ist natürlich wieder der Bewertung der Fremdwahrnehmung unterworfen. Und dann geht es um Kultur oder Unkultur, oder auch um Unterhaltung und Ernsthaftigkeit qua Hochkultur, zum Beispiel in der Musik oder auch der Literatur. Alles abhängig von Ort, Zeit, Publikum und dem so genannten Kulturbetrieb, dessen Niedergang bereits beim Roman, dann beim Kino und dem Fernsehen immer wieder beschrien wurde. Und wer sich diesem als konservativ (und damit wenig künstlerisch) bezeichneten Kulturpessimismus erfolgreich widersetzt hat, schreit beim Internet und seinem Phänomen World Wide Web auf. Alles ist Konserve. Und wieder einmal geht es im Grunde nicht um das technische Medium selbst, sondern natürlich um die menschliche Nutzung und ihre inkompetent beschleunigten Inhalte. Allen voran Social Media, wo jede Person publizieren kann und man aufgrund der Inhalte nach Gatekeepern ruft: Wo bleibt der Anspruch?
Also gut, dann zurück zum Klassiker, dem Buch. Hurra! Ach nee, doch nicht. Jetzt kann ja auch jede Person Bücher publizieren. Und da kann ja auch jede Person allen möglichen Blödsinn schreiben. Und das Lesepersonal muss aufmerksam und voller geistiger Anstrengung selbst beurteilen. Gut, es gibt natürlich noch immer die Verlagsbranche mit dem Lektorat, einer Art TÜV für … ja, wofür eigentlich? Für Qualität, die sich am Verlagsprogramm orientiert, also an der Verkaufbarkeit.
Sicherlich ist hier die Eintrittshürde eine etwas höhere … gewesen. Denn jetzt haben wir Künstliche Intelligenz, die uns mal eben einen Roman hinrotzt. Man kann sich also mit eine wenig Sprachkompetenz seine Wunschgeschichten zusammenprompten. Und wer genug Persönliches im World Wide Web preisgegeben hat, kann sich auch selbst in den KI-Roman hineinprompten.
Und hier ist das Problem der technischen Medienentwicklung scheinbar am Gipfel der Verwirrung aus öffentlich und privat. Da schrieben Menschen Klassiker und andere Werke, da kam der Film, das Radio , das Fernsehen. Während die Inhalte der Technik hinterherstolperten, jedoch in mediale Form gepresst wurden, kam mit dem Internet qua World Wide Web die inhaltliche Anarchie der so genannten Sozialen Medien, immer privater, immer einsamer konsumiert. Der gesellschaftliche Diskurs wird zum explodierenden Exkurs und zur privaten Pandemie aus phänomenalen Phantasien, die immer mehr auf das Selbst zurückwerfen. Das Öffentliche ist privat, das Private ist öffentlich. Likes sind sexy?
Also prompte ich mir gleich mal eine Feel-Good-Story auf dem ‚Traumschiff‘ als Krimi mit meinen Lieblingsdarstellern aus dem Tatort und Pippi Langstrumpf, die im Stil von James Bond – ein bisschen Action muss sein – gemeinsam mit Robert Langdon eine Agentengeschichte aus dem Kalten Krieg bei einer Reise nach Kuba aufklärt. Und die lasse ich mir dann vorlesen … denn jede Person ist Publizstin.

Nö, kein Titel
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